
Längst ist das Thema Einsamkeit und seine Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft in den Fokus der Politik und Wissenschaft gerückt. Zahlreiche Studien und groß angelegte Volksumfragen beschäftigen sich damit – und das aus gutem Grund: Einsamkeit ist ein wachsendes, gesellschaftliches Phänomen, das sowohl den Körper als auch den Geist spürbar beeinflusst und ernst genommen werden muss.
Dabei sind nicht nur ältere Menschen davon betroffen. In Deutschland gaben 46% der befragten Personen im Alter von 16 bis 30 Jahren an, sich moderat oder stark einsam zu fühlen. Ursachen für diesen Trend gibt es viele: Verstädterung, entwurzelte Nachbarschaften, zunehmende Digitalisierung und eine zunehmende Nutzung sozialer Medien führen zu einem Rückgang persönlicher Interaktionen und somit zu steigender Isolation, Spaltung und Einsamkeit.
Einsamkeit und körperliche Gesundheit
Was viele nicht wissen: langanhaltende Einsamkeit führt zu einem chronisch erhöhten Stresspegel im Körper. Einsamkeit erzeugt im Körper eine Erhöhung des Cholesterins, des Blutdrucks und des Stresshormons Cortisol. Es ist genau diese Stressreaktion, die verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen bedingt, Entzündungsprozesse in Gang setzt und das Immunsystem beeinflusst.
Chronisch Einsame sind somit deutlich anfälliger für verschiedene, auch schwere Erkrankungen. Das Risiko für die koronare Herzkrankheit ist um 29 Prozent, das Risiko für einen Schlaganfall um 32 Prozent und das Risiko für eine klinische Demenz sogar um 64 Prozent erhöht. Es zeigte sich weiterhin, dass Probanden, die eine eher einsame Kindheit erlebten, im späteren Leben eine höhere Wahrscheinlichkeit aufwiesen, an Krebs zu erkranken.
Doch nicht nur auf die großen Zivilisaltionskrankheiten hat Einsamkeit einen Einfluss. Auch Alltagserkrankungen wie Grippe oder Erkältungsinfekte haben in einem einsamen Körper leichteres Spiel, da die durch die Einsamkeit ausgelöste Stressreaktion das Immunsystem schwächt und überlastet.
Eine weltweit bekannte Meta-Analyse von Julianne Holt-Lunstad und Kollegen, die Daten von über 300.000 Personen auswerteten, ergab, dass mangelnde soziale Integration das Sterblichkeitsrisiko um 50 % erhöht. Einsamkeit ist damit doppelt so schädlich wie Übergewicht und genauso tödlich wie Alkoholismus. Der gesundheitliche Effekt der Einsamkeit ist vergleichbar mit dem täglichen Konsum von 15 Zigaretten.
Einsamkeit und psychische Gesundheit
Auch auf die psychische Gesundheit hat Einsamkeit einen erheblichen Einfluss, da sie sowohl kurzfristige als auch langfristige Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die mentale Stabilität eines Menschen haben kann.
So ist Einsamkeit einer der Hauptfaktoren, die das Risiko für das Auftreten einer Depression erhöhen. Chronische Einsamkeit kann dazu führen, dass Betroffene sich unbedeutend oder ungeliebt fühlen und dass verstärkt negative Gedanken auftreten, die die Stimmung trüben.
Zudem erhöht Einsamkeit unter anderem durch eine Schwächung des Selbstbewusstseins die Wahrscheinlichkeit, soziale Ängste und generalisierte Angststörungen zu entwickeln, Und auch kognitive Funktionen können durch ein Gefühl der Isolation beeinträchtig werden. Studien zeigen, dass Betroffene häufiger Probleme mit kognitiven Prozessen wie Gedächtnis und Konzentration haben.
Es konnte gezeigt werden, dass selbst kurze Isolationsperioden von zwei Wochen zu erkennbaren chemischen Veränderungen im Gehirn führen, die Aggressionen und Angstverhalten fördern können.
Abschließend lässt sich feststellen, dass Einsamkeit ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko mit weitreichenden Folgen für Körper und Geist darstellt. Es ist daher wichtig, soziale Beziehungen zu pflegen und bei Bedarf Unterstützung zu suchen, um die negativen Auswirkungen zu minimieren.
Quellen:
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